Ein Armband am Handgelenk ermöglicht den Bewohnern des beschützten Wohnbereiches im Seniorendomizil Haus Dominic sich von nun an frei zu bewegen. Bis es endlich soweit war und die verschlossenen Türen im fränkischen Elsenfeld geöffnet werden konnten, waren umfangreiche organisatorische und bauliche Vorkehrungen zu treffen.
Anfang Juni wurde der beschützte Wohnbereich „Museumsscheune“ im Erdgeschoss des Haus Dominic schrittweise geöffnet. Die Eingangstüre zum Wohnbereich im EG, die bisher nur mit einem elektronischen Zahlencode zu öffnen war, steht seither offen. Für die meist demenzkranken Bewohnerinnen und Bewohner, die dort mit richterlichem Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichtes wohnten, ändert sich dadurch einiges. Sie können sich von nun an im und um das Gebäude frei bewegen, ohne dass sie Gefahren ausgesetzt sind. Möglich macht dies ein Funkarmband am Handgelenk, das voller Technik steckt. Der Transponder löst beim Betreuungspersonal sofort Alarm aus, wenn sich der Träger aus dem überwachten Bereich entfernt. Dabei sind der Standort und die Identität des Bewohners sofort ersichtlich. Damit das System funktioniert, waren umfangreiche technische Vorarbeiten notwendig. An den Türen und im Außenbereich des Haus Dominic mussten viele Meter Schleifenantennen im Boden verlegt werden.

Lebenswelt des Demenzkranken
Bei einer Demenzerkrankung spielt die Realität eine untergeordnete Rolle. Die zeitliche und räumliche Orientierung ist nicht mehr bzw. nur noch eingeschränkt vorhanden. Die meisten Bewohner in beschützten Wohnbereichen sind an Demenz erkrankt. Die Erkrankung alleine macht es noch nicht notwendig, einen Bewohner beschützend unter zu bringen. Es ist eher die Weglaufgefährdung und somit die Gefahr, die daraus resultiert: auf eine Straße zu laufen, sich zu verirren, nicht mehr nach Hause zu finden. Die meisten Bewohner sind auf der Suche nach ihrem Zuhause, ihren Kindern, ihrer Arbeit und greifen manchmal stundenlang an den verschlossenen Türgriffen. Sie fühlen sich eingesperrt. „Der Weglaufdrang ist eigentlich ein Hinlaufdrang“, erklärt Thomas Kosch, Leiter des Seniorendomizils. In der Realität des dementen Menschen ist es beispielsweise 12 Uhr und die Kinder müssen von der Schule abgeholt werden. Der Versuch, den dementen Menschen in die Realität zurückzuholen, scheitert hier. Die Betreuungskraft muss sich auf die momentane Situation des Bewohners einlassen und adäquat reagieren.  Ein „wir gehen schon mal rein und bereiten das Mittagessen zu“, kommt bei der Person an und holt sie in ihrer momentanen Situation ab.

Beschützte Unterbringung
Der Umgang mit der Weglauftendenz von Demenzkranken führte in der Vergangenheit zur Einrichtung von beschützten, abgeschlossenen Wohnbereichen in Senioreneinrichtungen. Die Gefährdeten wurden von den anderen Bewohnern räumlich separiert. Freiheitsentziehende Maßnahmen zum Eigenschutz des Betroffenen getroffen. Dabei wird jeder Einzelfall individuell behandelt. Jede freiheitsentziehende Maßnahme, wie beispielsweise Fixierungen, Angurten und Einschließen sind nur mit richterlichem Beschluss erlaubt. Zur Unterbringung in einem beschützten Bereich, bedarf es eines Unterbringungsbeschlusses des Amtsgerichtes. Zur Aufhebung der Beschlüsse musste die Zustimmung jedes Betreuers eingeholt werden

Schutz ohne Freiheit einzubüßen
Das im Grundgesetz, Artikel 2 verankerte Recht auf Freiheit für jede Person steht an vorderster Stelle. Die Charta der Rechte des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend informiert über die Rechte von hilfe- und pflegebedürftiger Menschen.
Diese haben die gleichen Rechte wie alle anderen Menschen und dürfen in ihrer besonderen Lebenssituation in keiner Weise benachteiligt werden. Ziel ist es den Menschen ein möglichst selbstbestimmtes und selbständiges Leben zu ermöglichen. Dazu gehört auch das Recht sich in seiner Umgebung frei bewegen zu können und vor Gefahren für Leib und Leben geschützt zu werden. Der Spagat zwischen Freiheit und Schutz ist für Mitarbeiter und Angehörige oftmals schwierig. Jeder Demenzkranke im beschützten Wohnbereich bringt seine eigene Geschichte in die Einrichtung mit. Diese ist häufig von großer Belastung der Angehörigen geprägt und Erfahrungen mit dem Weglaufen und nicht mehr nach Hause finden. Die Angst, dass der Vater oder die Mutter nachts unkontrolliert das Seniorendomizil verlassen könnte, ist wieder präsent. Dennoch überwiegt das positive Gefühl, dass der Lebensraum und das Lebensgefühl für die Betroffenen deutlich verbessert werden.

Mitarbeiter sensibilisieren
Alle Mitarbeiter im Haus Dominic wurden intensiv auf die Öffnung des beschützten Wohnbereiches vorbereitet und geschult. Das Handling und die technische Funktionsfähigkeit des Schutzsystems wurden in einem Probelauf mit Demenzkranken Bewohnern ausprobiert. Die Erfahrungen zeigten, dass der Weglaufdrang mit Vergrößerung des Bewegungsradius deutlich abnimmt. Darüber hinaus ist eine am Alltag ausgerichtete Tagesstrukturierung für die Betroffenen besonders wichtig. Im Rahmen des „Alltagsorientierten Betreuungskonzeptes“ erfahren die Bewohner im Haus Dominic Alltagsnormalität statt Pflegealltag. Sie werden in die alltäglichen Dinge wie Kochen, Backen, Räumen, Rasen mähen, Nähen und Wäsche zusammenlegen mit einbezogen. Es geht darum den älteren Menschen das Lebensgefühl wie früher zu Hause zu vermitteln.

Für Leiter Thomas Kosch war die Öffnung des Bereiches die richtige Entscheidung. Die Bewohner reagieren sehr gut auf den vergrößerten Bewegungsradius und freuen sich, dass sie im Haus nun unterwegs sein können. Die Hausgemeinschaft insgesamt ist dadurch auch gestärkt worden. Positiv ist auch die größere Achtsamkeit untereinander. Alle gehen mit offenen Augen durch das Haus und schauen aufmerksamer, welcher Bewohner wo unterwegs ist. „Insgesamt muss die Betreuung individueller und flexibler werden, da sind wir alle aufgefordert“, ist Thomas Kosch überzeugt.

Alles aus einer Hand
Das Haus Dominic bietet unter einem Dach ein vernetztes Altenhilfeangebot an. Dieses umfasst Dauer- und Kurzzeitpflege, Tagespflege, Ambulante Pflege und Offene Angebote wie Seniorencafé und Offener Mittagstisch. „Die Bedürfnisse unserer Kunden sind individuell und verändern sich kontinuierlich. Wir wollen unseren Kunden passgenaue Hilfen und Unterstützung anbieten nach der Devise „Alles aus einer Hand“, so Leiter Thomas Kosch.