Ist ein Clown nicht nur etwas für Kinder? Fühlen die Bewohner*innen sich denn noch ernst genommen, wenn sie Besuch von einem Clown bekommen? Und wollen die Bewohner*innen wirklich so eine Art „Zwangs“-Belustigung? Auf diese Fragen darf ich oft antworten, wenn ich erzähle, dass ich als therapeutische Clownin in Pflegeheimen arbeite.

Ich kann gut verstehen, woher diese Fragen kommen. Denn wenn wir „Clown“ sagen, dann denken wir an den dummen August im Zirkus, der groß, laut und bunt sein Scheitern zur Freude aller in der Manege aufführt. Oder wir denken an den Clown der beim Kindergeburtstag wilde Späße macht oder an den Clown, der in der Fußgänger-Zone Luftballon-Figuren formt. Und vielleicht haben wir auch schon mal im Fernsehen die „Klinik-Clowns“ in der Kinderklinik gesehen.

Wenn man all diese Bilder eines „Clowns“ im Kopf hat, dann fragt man sich wohl völlig zu Recht, welchen Sinn bitteschön der Besuch eines Clowns in einem Pflegeheim haben soll? Seit 12 Jahren habe ich jetzt schon das Glück als Clowns-Madame Erna Blümle Menschen mit Lebenserfahrung in Pflegeheimen besuchen zu dürfen. Durch meine Tätigkeit ist in mir eine Antwort erwachsen, die ich gerne mit Ihnen, liebe*r Leser*in, teile:

Für mich bedeutet das Clown-Sein die Möglichkeit, jedem Menschen mit offenem und völlig wertungsfreiem Herzen zu begegnen. Die Clownin nimmt den Menschen genauso, wie er ist. Mit allem, was gerade in dem Gegenüber lebendig ist. Mit jedem Gefühl, jedem Schmerz und in jeder Lebenslage. Die Clownin „will“ nichts von dem Bewohner*in, es gibt nichts, was „zu tun“ ist.

Stattdessen bietet Erna Blümle einen liebevollen Kontakt an und lädt ein in den Raum der Begegnung. Die Clownin schenkt ihrem Gegenüber ihre liebevollste und strahlende Aufmerksamkeit und eine wahrhaftige Würdigung! Der*die Bewohner*in bekommt die Chance sich authentisch zu zeigen: mit Freude, Trauer, Lebenslust, Einsamkeit, Todessehnsucht… Alles darf sein und gefühlt werden.

Wenn es ein „positives“ Gefühl ist, dann lacht, flirtet und schäkert die Clownin nach Herzenslust gerne mit. Ist es ein sogenanntes „negatives“ Gefühl ist, dann begleitet die Clownin den*die Bewohner*in beim Hindurch-Fühlen durch das was ist. Erna bleibt an seiner *ihrer Seite, so lange bis es „heraus geklagt“ ist und die Seele sich wirklich Luft machen durfte. Denn wenn das „negative“ Gefühl entladen ist, dann ist wieder Raum Neues zu spüren wie Erleichterung, Zuversicht oder Lebensfreude – und das könnte auch der richtige Moment sein den Humor einzuladen.

So durfte die Clownin mal eine Bewohnerin besuchen, die sich erst aufopfernd um ihre Eltern, dann um ihre Schwiegereltern gekümmerte hatte. Und schließlich pflegte sie noch viele Jahre ihren Ehemann. Als die Clownin ihr Zimmer betrat, saß sie auf ihrem Bett, hatte starke Schmerzen und fühlte mutterseelenallein.

Erna Blümle setzte sich neben sie auf das Bett und hörte der Bewohnerin auf eine Art und Weise zu, die ihr ermöglichte, ihr Herz auszuschütten. Die Bewohnerin weinte, während die Clownin sie im Arm hielt. Irgendwann, als das Leid geklagt und gewürdigt worden war, da machte die Clownin eine achtsam-humorvolle Bemerkung, die dazu führte, dass die Bewohnerin lachte und lachte und lachte! Und plötzlich hielt sie in ihrem Lachen inne, schaute die Clowns-Madame an und sagte erstaunt zu ihr: „Jetzt haben wir aber nochmal die Kurve gekriegt!“

Das also ist für mich der Sinn einer Clownsvisite – der*dem Bewohner*in zu ermöglichen die „Kurve zu kriegen“. Und wenn die Clownin sich am Ende eines Besuchs verabschiedet und aus dem Zimmer geht, dann hat sich die Atmosphäre in dem Zimmer verwandelt. Dann ist da ein bisschen mehr Leichtigkeit oder ein bisschen mehr Hoffnung oder ein bisschen mehr Trost oder mehr Gefühl für die eigene Würde und den eigenen Wert.

Eine Bewohnerin sagte mal zur Clownin „Wenn ich dich sehe, steigt in mir eine warme Welle auf, da brauche ich keinen Arzt mehr. Du bist ein Arzt für die Seele!“

Meine Ausbildung für mein Tun als therapeutische Clownin lernte ich zum einen an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin und zum anderen studierte ich die sinnzentrierte Form der Psychologie nach Viktor Frankl am Institut für Logotherapie und Existenzanalyse Tübingen/Wien. Seit 2007 besuche ich als Clowns-Madame Erna Blümle regelmäßig Bewohner*innen in Pflegeheimen. Als hauptberufliche Clownin bin ich jedes Jahr pro Monat in 20 unterschiedlichen Pflegeheimen auf Clownsvisite und bin damit eine der gefragtesten therapeutischen Clowns Deutschlands.

*sagte ein 90-jähriger Bewohner beim Abschied zur Clownin

Autorin des Artikels Angelina Haug
Mehr Informationen unter www.Clownerie-im-Pflegeheim.de