Menschen mit Handicap haben es schwerer als vollwertige Mitarbeiter in den ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden. Das Vorurteil, dass sie nicht die geforderte Leistung erbringen können, ist so groß, dass viele Arbeitgeber erst gar nicht den Versuch unternehmen. Verpasste Chancen! Auch Carmen aus Sinzing hatte diese Erfahrung in ihrem Leben leider auch immer wieder machen müssen. Im Haus Maria fand die junge Frau endlich einen regulären Arbeitsplatz als Pflegehelferin, der sie rundum glücklich und zufrieden macht.

Carmen ist von Geburt an hochgradig schwerhörig. Die 29-jährige Sinzingerin hat dennoch gelernt, mit ihren Mitmenschen zu kommunizieren und diese gut zu verstehen. Mit Unterstützung von Hörgeräten, dem Lippenlesen, einer geschärften Beobachtungsgabe, hoher Konzentrationsfähigkeit und einer großen Portion Einfühlungsvermögen, ist ihr Handicap auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Erst beim Sprechen ist die veränderte Lautbildung wahrnehmbar. Den Weg in das Seniorendomizil Haus Maria fand die junge Frau durch Zufall. Nach einer befristeten Tätigkeit im Krankenhaus wollte sie eine sinnstiftende Aufgabe, bei der sie mehr mit Menschen arbeiten kann. Eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen stand im Raum, war für die junge Frau jedoch niemals eine ernsthafte Option.

Sie wollte versuchen, eine Stelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzutreten. Ihr Lebenspartner unterstützte und bestärkte sie darin. Im Haus Maria, das nur einen Steinwurf von ihrer Wohnung entfernt liegt, bewarb sich Carmen und hatte auf Anhieb Glück. Beim Vorstellungsgespräch bei Einrichtungsleitung Brigitte Voit konnte die sympathische, junge Frau sofort überzeugen. Beide wollten es gemeinsam versuchen.

„Ein bisschen nervös war ich schon, schließlich hatte ich noch überhaupt keine Erfahrung mit der Arbeit mit Senioren“, gesteht Carmen. „Die Einarbeitung in die Aufgaben der Pflegehilfskraft schaffte ich sehr gut und die Bewohner haben mich ganz schnell integriert und plötzlich war ich mittendrin. Auf jeden Fall konnte ich sehr schnell feststellen, dass mir die Tätigkeit super liegt.“

Der positive Eindruck blieb bestehen, Carmen entschied sich als Pflegehilfskraft in Vollzeit zu starten mit einem festen, unbefristeten Arbeitsvertrag. Kurz darauf befand sie sich bereits in der Einarbeitungsphase. „Besonders gut gefiel mir, dass sich meine Kollegen sehr viel Zeit für mich genommen haben. So hatte ich am Anfang immer noch die Gelegenheit, einfach mal zuzuschauen und dabei zu lernen. Gleichzeitig hatte ich jemanden an meiner Seite, der mich unterstützt und ermutigt hat, auch selbst aktiv auszuprobieren“, erklärt Carmen.

In ihrer Wohngruppe kümmert sich Carmen um Bewohnerinnen und Bewohner zwischen 68 und 97 Jahren, mit unterschiedlich stark ausgeprägten Krankheitsbildern. Die Arbeit erfolgt in zwei Schichten, dem Früh- und Nachmittagsdienst. Ihre Aufgabe ist es, die ihr anvertrauten Menschen während des Tages zu begleiten. Der Tagesablauf ist vielfältig und abwechslungsreich, wie zum Beispiel Unterstützung bei der Pflege, Frühstück vorbereiten oder bei der Nahrungsaufnahme zu helfen. Auch bei Problemen oder Kummer hat sie ein offenes Ohr und fungiert als Seelentrösterin für „ihre Bewohner“. Mit ihrem sonnigen Gemüt und ihrer offenen, freudigen Wesensart bringt sie ganz nebenbei viel gute Laune in den Alltag.

Doch wer glaubt, dass die Arbeit als Pflegehelfer nicht anspruchsvoll ist, irrt sich gewaltig. „Ich erstelle als Quereinsteigerin zwar keine pädagogischen Förderpläne, bin aber durchaus mehr als nur Animateur für die Bewohner“, erklärt Carmen. „Die Dokumentation ist genauso Bestandteil meines Arbeitsalltags. Zudem gehört es zu meinen Aufgaben, die mit den Bewohnern vereinbarten Förderziele gemeinsam mit ihnen umzusetzen, um ihre Eigenständigkeit zu fördern und zu erhalten, sowie ihnen ihren täglichen Alltag so einfach wie möglich zu erleichtern und für sie da zu sein.“

Einrichtungsleitung Brigitte Voit ist glücklich über den wertvollen Zuwachs in ihrem Mitarbeiter-Team: „Inklusion ist für mich eine Herzensangelegenheit. Wir geben Quereinsteigern immer die Chance in der Seniorenpflege Fuß zu fassen, dabei sind Handicaps überhaupt kein Ausschlusskriterium.“

Den Wechsel in das Haus Maria hat Carmen keinen Tag bereut, ganz im Gegenteil. „Ich gehe sehr gerne zur Arbeit. Ständig auf die Uhr starren und den Feierabend herbeisehnen, das Gefühl kenne ich nicht“, erzählt sie mit einem Schmunzeln im Gesicht. „Früher saß ich allein in der Arbeit und habe Sterilgut abgearbeitet. Heute bin ich den ganzen Tag von Menschen umgeben, das liegt mir viel mehr. Als Pflegehelferin tue ich nicht nur etwas Sinnvolles, sondern habe auch große Freude.“

„Für die Zukunft wünsche ich mir, dass sich mehr Menschen egal ob mit oder ohne Handicap, trauen, sich hier bei uns zu bewerben. Ich bedanke mich auch von Herzen bei Einrichtungsleiterin Brigitte Voit und Pflegedienstleitung Julia Giesl, die mich unvoreingenommen aufgenommen haben.“